Anlässlich der Ausstellung des Malers und Künstlers Erwin Bohatsch in der Galerie Martin Janda Wien wurde ich eingeladen, einen einleitenden Text zu Bohatschs neuen Arbeiten zu schreiben. Der Besuch im Studio war ein absoluter Glücksfall von einer Begegnung mit einem Künstler, dessen Werke ich zwar schon lange kannte, den ich aber nie persönlich kennengelernt habe, obwohl wir seit langem in derselben Stadt leben. – Und obwohl wir beide an derselben Institution, der Akademie der bildenden Künste Wien, unterrichtet haben, sogar am selben Lehrstuhl. Aber ja, das Leben braucht manchmal lange, bis sich die Wege bestimmter Menschen kreuzen, und hier ist ein Auszug aus meinem Text zu den so überraschenden neuen Malereien Bohatschs, die unter dem Titel „Capricci“ vom 7. März bis zum 6. April 2024 gezeigt werden. Galerie Martin Janda
Erwin Bohatschs neue Arbeiten sind befangen und wild zugleich. Ein kontrollierter Gestus schwingt sich über die Leinwand und wird hier und dort gebremst. Ständig scheint sich der Fluss der Farblinie selbst zurückzunehmen, um dann irgendwo wieder aus der Geordnetheit auszubrechen, zu verebben oder einfach in einer neuen Farbenwelt zu versickern. Kleine Ungereimtheiten wie ein unmotiviertes Stück Grün, das verschämt am Rand entlang streicht, aber nicht weiter geht. Seltsam gebogene Formen wiederholen sich – fast. Dann legt sich eine ungefähr geometrische Fläche über beide, aber auch nur teilweise. Im Hintergrund haben wir es mit einer Art Architektur zu tun, wobei räumlich ist diese gar nicht, dafür aber flach. Überhaupt der Raum in diesen Bildern: Wo stehen wir? Wo befindet sich das gemalte Objekt? Liegt es? Schwebt es? Fällt es um? Ist es überhaupt ein Objekt? Aber was könnte es sonst sein?
Es sind Fragen wie diese, die uns die Malerei immer wieder neu vor Augen führt, wenn sie gut ist. Es sind die alten Probleme der abstrakten Malerei, sie haben sich kaum geändert. Aber es wäre absurd, diese Tatsache zu hinterfragen, denn jede neue Künstlergeneration muss ihre Beziehung zum visuellen Konstrukt immer wieder in einer eigenen Sprache selbst formulieren. Klassischerweise zählen Bohatschs Arbeiten zur abstrakten Malerei. Aber was heißt das? Zählt der Gestus? Zählt die Linie? Zählt die Farbe? Gegeben ist, dass wir keine Objekte oder Gegenstände als solche erkennen können, keinen Teekrug zum Beispiel, aber auch kein Gesicht, und das hat die Kunstgeschichte non-figurative Malerei genannt. Stattdessen rücken konstruktive und physikalische Eigenschaften eines Bildes in den Fokus, primär die Farbe, der Pinsel, das Format und der Grund. Und genau hier setzt auch Erwin Bohatsch an, wenn er die Textur der Oberfläche als ein zentrales Element seiner Arbeiten nennt. Sein Prozess beginnt mit der Wahl des Materials – und mit dem Produkt, das er wählt, ändert sich auch das Wie seiner Erzählung. Ob er Vinylfarbe, Kohle oder in einem Gemisch auch Öl verwendet, bestimmt die Komposition, den Weg einer Linie, die Porosität, Opakheit oder Dichte einer Farbfläche. Seine Bilder leben von der Austarierung dieser unterschiedlichen Elemente, ihren Schichtungen, Übermalungen und Neukonturierungen
Neben dem strukturellen und materiellen Gerüst – den Formen und dem Bilden einer architektonischen Raum-Illusion – spielt die Farbe als evokative Kraft in diesen Arbeiten eine eminente Rolle. Die Farbe ist die Malerei, wenn dies auch im Gespräch mit dem Künstler kaum Erwähnung findet. Ich denke aber, dass hinter dieser Zurückhaltung neben einer möglichen Skepsis gegenüber dem emotionalen Gehalt von Malerei auch ein Wissen über die Unmöglichkeit des Sprechens über Farbe steht. Nicht zuletzt aber ist es die Farbe, der diese neuen Werke ihre Gültigkeit und Tiefe verdanken. In den subtilen Nuancierungen eines ganz aus der Mode gekommenen Blau oder eines irrationalen Gelb sowie in ihrer besonderen Gewichtung – oft sind es nur winzige Farbfelder oder -tupfer, die einen Akzent setzen, wie im Fall eines orangen Stückchens, das zwischen einem Blaugrau und einem Beigeweiß aufscheint – liegt eine energetische Aufladung, die die Bildauffassung ganz wesentlich bestimmt.