Architekturtheoretisches Kolloquium Einsiedeln

Ich freue mich sehr, beim diesjährigen 11. Architekturtheoretischen Kolloquim in Einsiedeln mit einem eigenen Beitrag dabei zu sein. Unten das Programm zum Downloaden, Gasthörer:innen sind willkommen, Anmeldungen unter:  info@bibliothek-oechslin.ch

Mein Vortrag beschäftigt sich mit Emil Kaufmanns ausschließlich aus der Theorie entwickeltem Begriff der Autonomen Architektur.

Die Aufklärungsstiege //

Die Stiege, die zur grossen Halle des Courtauld Institute of Art in London führt, heisst auch – alles versprechend – „Aufklärungsstiege“. Dies, weil sie von unten, vom Dunkel ins Licht nach oben führt, wo sich der Eingang zu The Great Room, einem Ausstellungsraum, in dem die jährlichen Sommershows der Royal Academy gezeigt wurden, befindet. William Chambers, der Architekt, entwarf eine enge Spirale, auf deren hohen Stufen die zeitgenössischen Besucher*innen stolperten und sich gegenseitig behinderten. So wurde der Traum von der Aufklärung und einer besseren Welt zum Lachschlager für die Massen. William Chambers feiert seinen 300. Geburtstag: Geboren am 23. Februar 1723!

The Cosmic House!

Charles Jencks‘ Versuch, „Bedeutung in die Architektur zurück zu bringen“ findet sich in seinem Haus in Westlondon, das vor kurzem als Museum unter dem Namen „The Cosmic House“ eröffnet wurde und absolut sehenswert ist (ich konnte es im November besuchen): Ein gebautes Manifest des Post-Modernismus, ein Albtraum für manche, aber auch ein wunderbares Beispiel eines idiosynkratischen Architektenhauses. „Cosmic“, soviel ist klar, bedeutete für Jencks (1939-2019) alles, was im Modernismus verboten und verpönt war: Symbole, Metaphern, Anspielungen, persönliche Vorlieben, Ironie.

In a way we were trying to put meaning back into architecture because signification was the great taboo or the great undiscussible element – and for so many other reasons. Charles Jencks, ‚half modern, half something else‘ / Interview mit Martin Beck, 2003

Anders ausgedrückt, lernen wir von Anfang an die kulturellen Zeichen, die jeden städtischen Ort für eine soziale Gruppe, eine wirtschaftliche Klasse und reale, historische Menschen auszeichnen, während die modernen Architekten ihre Zeit damit verbringen, alle diese spezifischen Zeichen zu verlernen, bei dem Versuch, für den Universalmenschen oder für den Mythos vom modernen Menschen zu planen. Charles Jencks, Die Sprache der postmodernen Architektur, Stuttgart, 1980 (Zweite deutsche Auflage)

Der größte Fehler, den die Architekten in diesem Jahrhundert begangen haben, ist vielleicht der, überhaupt geboren zu sein. (Ebd.)

17.000 Eisenbolzen lügen nicht

Über Abstraktion, Ökonomie und Wahrheit in Otto Wagners Postsparkasse

Die Universität für angewandte Kunst Wien sowie weitere wissenschaftliche Institutionen ziehen in Otto Wagners Postsparkasse in Wien ein. Im Oktober 2021 hielt ich im Rahmen der Vortragsreihe „Abstraktion und Ökonomie“ des Instituts Kunst und Wissenstransfer den Eröffnungsvortrag über Wagners legendäre Architektur im Gebäude mit dem schönsten Kassensaal der Welt!

Das Versprechen einer endlosen Erweiterung liegt am Beginn des Modernismus sowohl dem architektonischen Entwurfsprozess als auch der Zirkulation des Geldflusses zu Grunde. Otto Wagner realisierte 1906 in seinem paradigmatischen Bau des „K.K. Öst. Postsparkassenamts“ in der Wiener Ringstraßenzone eine künstlerische Vision, die sich in der Verwendung neuer Baumaterialien und avancierter Bautechnik konkret manifestiert. In diesem Vortrag wird Wagners ästhetisch reduzierter „Nutzstil“ auf seine Verwertbarkeit hinsichtlich einer universalen Theorie der Abstraktion geprüft und – vor allem – auf die Hard Facts eines Bankgebäudes an der Schwelle zu einer neuen Epoche übertragen.

Upcoming: Easy Reader @oegfa

Meine Arbeit „Die Erfindung der autonomen Architektur“ darf zum ersten Mal an die Öffentlichkeit und kann via Zoom-Live-Stream mitverfolgt werden. Ich freue mich, zu Gast in der Österreichischen Gesellschaft für Architektur zu sein, wo Gabriele Kaiser mit mir ein Gespräch führen wird. Unten der Ankündigungstext, und mit diesem Link geht es zur Veranstaltung, wo ihr den Zoom-Link findet:

https://oegfa.at/programm/jahresschwerpunkt/2021-raumbeziehungen/08-patricia-grzonka

Der österreichische Kunst- und Architekturhistoriker Emil Kaufmann (1891–1953) prägte den Begriff der „Autonomen Architektur“ zu Beginn der 1930er-Jahre ausgehend von Untersuchungen zum französischen Architekten Claude-Nicolas Ledoux. Kaufmanns Publikationen zur französischen Revolutionsarchitektur und zum Klassizismus zählen zu den wichtigsten architekturtheoretischen Texten des 20. Jahrhunderts. Während Kaufmanns Entdeckungen in den USA rasch Anerkennung fanden, sodass Anthony Vidler 2002 konstatieren konnte, dass Kaufmann „Generationen von Gelehrten dazu inspirierte, auf dem Gebiet der Revolutionsarchitektur zu arbeiten“, so ließ die wissenschaftliche Anerkennung in Europa Jahrzehnte auf sich warten. In ihrer aktuellen Forschung „Die Erfindung der autonomen Architektur“ untersucht Patricia Grzonka anhand bisher unerschlossener Quellen Emil Kaufmanns Beitrag zur Entwicklung der modernen Architekturgeschichte und -theorie, der anhand von (größtenteils postmodernen) Architekten exemplarisch im Werk von Oswald Mathias Ungers, Philip Johnson, Peter Eisenman, Aldo Rossi und Pier Vittorio Aureli diskutiert und aktualisiert wird.